Brustkrebs erkennen und behandeln

Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Markus-Krankenhaus in Frankfurt am Main

Brustkrebs und plastisch-rekonstruktive Operationen an der Brust

Ein Gastbeitrag von Priv.-Doz. Dr. med. Marc Thill
(Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Markus-Krankenhaus in Frankfurt am Main)

Die moderne Medizin hat sich in den letzten Jahren durch den ihr eigenen Fortschritt und die Geschwindigkeit des Wissenszuwachses zunehmend zu einer Medizin der Spezialisten entwickelt. „Alleskönner“ kann es, aufgrund der Fülle an Wissen und innovativer operativer Techniken, und der daraus resultierenden zunehmend individualisierten Therapieoptionen, folglich gar nicht mehr geben. Für die Patientin gilt nun, die Kriterien zu kennen, die es ihr ermöglichen, einen solchen Spezialisten und ein kompetentes und interdisziplinär agierendes Zentrum zu finden.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts erkranken etwa 72.000 Frauen in Deutschland pro Jahr an Brustkrebs. Die Versorgung dieser neu erkrankten Frauen aber auch der Patientinnen, die bereits eine fortgeschrittene oder eine erneute Brustkrebserkrankung haben, ist in Deutschland durch die Gründung von zertifizierten Brustzentren in den letzten 10 Jahren auf einem hohen Niveau angekommen und hat dazu geführt, dass sich das Überleben der Patientinnen verbessert hat. Etwa 80% aller Brustkrebspatientinnen werden mittlerweile in zertifizierten Brustzentren behandelt, die die Kriterien der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGS) erfüllen. Die 10-Jahresüberlebensrate für Tumoren bis 2 cm liegt bei knapp 90%. Über die Homepage www.oncomap.de können zertifizierte Zentren nach den Kriterien der DKG/DGS nachgeschlagen werden.

In Deutschland besteht die besondere Situation, dass die Erkrankung Brustkrebs von gynäkologischen Brustexperten (Senologen) operativ, systemtherapeutisch und rekonstruktiv praktisch aus einer Hand behandelt werden kann. Für die Patientin bedeutet dies einen definitiven Vorteil, da sie meist von der Erstdiagnose bis zum Therapieende von den gleichen Brustspezialisten behandelt werden kann. Das schafft ein festes Fundament, zum einen für eine kompetent abgestimmte Behandlungsstrategie, zum anderen für eine stabile Vertrauensbeziehung zwischen Therapeut und Patientin.

Warum ist die Auswahl des Brustexperten/Brustzentrums so wichtig?

Die Erkrankung Brustkrebs teilt sich in mindestens 4 verschiedene sogenannte intrinsische Unter(Sub-)gruppen auf. Somit ist die Entwicklung einer an diese Subgruppen adjustierten Behandlungsstrategie die Grundlage einer modernen und möglichst individualisierten Therapie. In diese Strategie gehen sowohl die operative als auch die Systemtherapie (Chemo-, Antihormon-, Antikörpertherapie) mit ein. So können durch die Identifizierung von einzelnen Subgruppen, sowohl Operationen als auch die verschiedenen Systemtherapien weniger radikal allerdings ohne Verringerung der onkologischen Sicherheit durchgeführt werden.
Für die Systemtherapie bedeutet dies, mitunter auch durch eine genetische Analyse des Tumorgewebes (Genexpressionstest), die mögliche Vermeidung von Chemotherapie und für die operative Therapie die Vermeidung einer ausgedehnten Entfernung der Lymphknoten. Aber auch die rekonstruktive Chirurgie profitiert von der innovativen Entwicklung der letzten Jahre. Mittlerweile stehen Techniken zur Verfügung, die bereits in ein und derselben Operation sowohl die Brustentfernung mit Erhalt von Hautmantel und Brustwarze als auch die sofortige Rekonstruktion erlauben. Der Patientin werden auf diese Weise mehrere Operationen sowie ein verändertes Körperbild erspart. Aber auch Techniken zur Rekonstruktion mit Eigengewebe wurden in den letzten Jahren verfeinert und damit weniger belastend. Die Zahl der Patientinnen, die sich nach Brustentfernung zu einer Rekonstruktion entscheiden, ist folglich ansteigend und beläuft sich aktuell auf ca. 65%. Die richtige Auswahl des behandelnden Arztes oder des jeweiligen Brustzentrums bedeutet also für die Patientin nicht nur eine optimale Therapie, sondern auch weniger Therapie zu erhalten.
Einige der neuen operativen Techniken, Medikamente und Therapieansätze werden zunächst in Studien angeboten, um eine solide Wissensgrundlage zu schaffen. Dabei ist die Studienteilnahme eine positive Einflussgröße, wie aus aktuellen Daten der
Versorgungsforschung (BRENDA-Studie) bekannt ist. So wirkt sich die Teilnahme an Studien günstig auf das Überleben der Patientin aus. Das Ziel eines guten Brustzentrums sollte also sein, ein entsprechend breites Studienangebot vorzuhalten.

Brustkrebs Behandlung und plastisch-rekonstruktive Operationen an der Brust

Auf welche Qualitätskriterien ist außerdem zu achten?
Das von der DKG/DGS vergebene Zertifikat, attestiert eine Fallzahl von mindestens 150 Ersterkrankungen pro Zentrum sowie eine interdisziplinäre Struktur und gute Vernetzung (Gynäkologie, Radiologie, Strahlentherapie, Onkologie, Pathologie, Plastische Chirurgie, Psychoonkologie, Naturheilkunde etc.) innerhalb des Brustzentrums.
Hinsichtlich der Brustkrebsspezialisten geben sicherlich Instrumente, wie die jährlich erscheinende Focus-Ärzteliste eine Hilfestellung, doch kann auch diese Liste wichtige Kriterien zur Auswahl des Therapeuten nicht im Detail wiedergeben.
Ein Qualitätsmerkmal bei der Suche nach einem Brustkrebsspezialisten ist die Mitgliedschaft in der Organgruppe Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). Bereits vor Jahren wurden sogenannte Organkommissionen gegründet, in denen sich ausgewiesene Experten mit der jeweiligen Erkrankung im Detail und auf dem neuesten Stand der Wissenschaft beschäftigen. Die Organkommission Mamma, die für die Behandlung von Brustkrebs verantwortlich zeichnet, ist für die Erstellung der jährlich neu erscheinenden AGO-Therapieempfehlungen verantwortlich. Mitglieder der Kommission Mamma können auf der Homepage der AGO (www.ago-online.de) nachgeschlagen werden.
Ein Qualitätsmerkmal für die operative Expertise in der Senologie ist der Titel „Zertifizierter Brustoperateur“. Die Arbeitsgemeinschaft für ästhetische, plastische und wiederherstellende Verfahren in der Gynäkologie (AWOgyn) hat sich der operativen und rekonstruktiven Senologie verschrieben und vergibt für Senologen mit einer jahrelangen Erfahrung in der operativen und rekonstruktiven Behandlung von Brustkrebspatientinnen und entsprechen hohen Fallzahlen der von ihm durchgeführten Operationen den Titel „zertifizierter Brustoperateur“. Nachzuschlagen sind diese Ärzte auf der Homepage der AWOgyn unter Arztsuche in der Kategorie Brustoperateur (zertifiziert) (www.awogyn.de).

Zusammenfassend sind folgende Punkte bei der Auswahl des behandelnden Arztes/Zentrums wichtig:

  • Zertifiziertes Brustzentrum nach DKG/DGS
  • Interdisziplinäre Struktur
  • Teilnahme an nationalen und internationalen Studien
  • Mitgliedschaft in der Organkommission Mamma der AGO
  • Zertifizierter Brustoperateur nach AWOgyn
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