Blasenkrebs Behandlung durch Spezialisten
Harnblasenkarzinom: die richtige Behandlung gibt es nicht überall
Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. med. Axel S. Merseburger im Namen des Ärzteteams
(Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck)
In Deutschland erkranken jährlich mehr als 29.000 Menschen neu an Blasenkrebs. Männer sind dabei mehr als doppelt so oft betroffen wie Frauen. Das mittlere Erkrankungsalter bei Blasenkrebs liegt bei 73 Jahren. Ein wesentlicher Risikofaktor ist das Rauchen aber auch chemische Stoffe (aromatische Amine).
Anzeichen und Diagnose bei Blasenkrebs
Meist ist ein blutiger Urin das erste Anzeichen für das Vorliegen eines Blasentumors. Blutiger Urin kann aber auch bei einer Entzündung der Harnblase vorliegen. Daher ist es wichtig bei wiederkehrendem Blut im Urin einen Facharzt/in für Urologie aufzusuchen, um einen Blasentumor auszuschließen. Sollte sich dieser Verdacht eines Harnblasentumors bestätigen, erfolgt in einer urologischen Klinik eine endoskopische Entfernung des Tumors (TUR-B).
Die Diagnose Harnblasenkrebs stellt das Leben von heute auf morgen auf den Kopf. Nichts ist mehr, wie es war. Das Leben muss umgestellt werden, Fragen und Sorgen breiten sich aus, Aufklärung und zeitnahe kompetente Behandlung stehen im Vordergrund. Ein besonderer Schwerpunkt sollte in dieser Zeit auf ausführliche Beratung und Aufklärung über vorliegende Befunde, Therapiemöglichkeiten und Fragen der Nachsorge und ambulanten Betreuung liegen.
Gibt es Daten, wie viele Patienten in Deutschland mit einem Harnblasenkarzinom nicht optimal/leitliniengerecht behandelt werden?
Nein, es gibt leider keine validierten Daten die Auskunft darüber bieten, wie viele Patienten in Deutschland mit einem Blasentumor nicht optimal oder leitliniengerecht behandelt werden. Publizierte Daten aus anderen Ländern, wie z.B. den USA, zeigen aber erschreckende Zahlen der nicht leitliniengerechten Behandlung, wie beispielsweise Fehlentscheidungen zur Instillationstherapie nach erfolgter Operation.
Welche Faktoren haben neben dem Stadium des Tumors einen Einfluss auf die Prognose. Sind es Fallzahlen, Ausbildung, Routine des Operateurs, was ist gesichert?
Aktuelle Zahlen vom Europäischen Urologen Kongress verdeutlichen wieder einmal, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Fallzahl und Erfahrung des Operateurs mit der Prognose der behandelten Patienten einhergeht. An Zentren mit mehr als 50 Zystektomien pro Jahr und Operateuren mit >5 Zystektomien, erhöht sich die Qualität der Operation mit reduzierteren Komplikationen und besserer Prognose. Diese gilt besonders für die schwierigeren Eingriffe wie Zystektomie und Neoblasenanlage.
Wenn nach aktuellen medizinischen Leitlinien behandelt wird, idealerweise die Klinik an Studien teilnimmt, dann ist die Qualität besser und auch die Prognose der betroffenen Patienten besser.
Ist die Ausstattung und/oder interdisziplinäre Vernetzung innerhalb der Klinik wichtig und warum?
Die Klinik sollte über Expertise in der Behandlung von Blasentumoren verfügen und erweiterte Diagnostik mit Fluoreszenz gestützter Blasenspiegelung anbieten. Dies trifft auch dann zu, wenn die Erkrankung bereits weit fortgeschritten ist.
Zur bestmöglichen Koordinierung, Beratung und Unterstützung sollten sich betroffene Patienten in einem Zentrum mit Erfahrung für diese Tumorentität und operative Expertise vorstellen. Hierbei hilft der niedergelassene Urologe weiter. Hinweise für eine gut funktionierende interdisziplinäre Zusammenarbeit an einer Klinik, sind, auch für den Bereich des Harnblasenkarzinoms, bestehende zertifizierte Zentrumsstrukturen (z.B. interdisziplinäres Prostatakarzinomzentrum, Comprehensive Cancer Center, Hodentumor-zweitmeinungszentrum, etc.). Gibt es ein Tumorboard in dem Fälle interdisziplinär besprochen werden? Die Frage nach einer Zweitmeinung sollte immer positiv gesehen werden und vom Patienten wahrgenommen werden, hier bietet ein Tumorboard ja schon eine 2. oder gar 3. Meinung.
Insbesondere bei Notwendigkeit zur radikalen Harnblasenentfernung und Harnableitung sollte diese Operation aufgrund der besonderen Auswahlkriterien (Harnableitung, interdisziplinäre Beratung) und der besonderen operativen Expertise an ausgewählten Zentren durchgeführt werden.
Die geläufigsten Harnableitungen hier kurz vorgestellt:
Ileum Conduit:
Aus Dünndarm wird ein kurzes Segment (ca. 17cm) entnommen, an die Harnleiter verbunden und aus der Haut ausgeleitet. Vorteil dieser Harnableitung ist der schnellere Eingriff mit weniger Früh- und Spätkomplikationen, Nachteil das inkontinente Stoma, welches mit Beuteln versorgt werden muss.
Mainz I Pouch:
Hier wird eine Ersatzblase aus Dünndarmanteilen über ein kontinentes Stoma ausgeleitet, diese wird dann als Pouch bezeichnet. Diese Methode bietet sich bei Patienten an, bei denen die Harnröhre entfernt werden musste und eine kontinente Harnableitung gewünscht ist.
Neoblase:
Dazu werden verschiedene, aus dem Darm herausgeschnittene Darmanteile zu einer Kugel vernäht und an die Harnleiter sowie an die Harnröhre angeschlossen. Um den natürlichen Harnweg beizubehalten, wird anschließend die Harnröhre erneut unter maximaler Schonung des äußeren Schließmuskels an die Blase genäht. Die Patienten sind zu einem hohen Prozentsatz kontinent und scheiden den Urin wie gewohnt über die Harnröhre aus.
Moderne Kliniken bieten hier eine sehr individuelle Beratung, gerade in Bezug auf die Harnableitung an. Die Qualität der Harnableitung ist abhängig von der Expertise des Operateurs und kann offen operativ oder minimalinvasiv durchgeführt werden. Hier muss im individuellen Fall beraten werden. Moderne OP-Methoden ermöglichen optimierte kosmetische Ergebnisse. Gerade bei jüngeren Patienten ist das postoperative kosmetische Ergebnis und der Funktionserhalt der Kontinenz und Potenz ein wichtiger Aspekt der heutzutage in ausgewählten Fällen Berücksichtigung finden kann. Nach der Anschlussheilbehandlung sollten Sie sich zeitnah bei Ihrem Urologen vorstellen, dann sollte mindestens vierteljährlich eine Kontrolle erfolgen.
Die Nachsorge ist nach Harnblasenentfernung sehr individuell zu gestalten und hängt sehr von der Harnableitung, dem individuellen Verlauf und den bestehenden Vorerkrankungen ab. Sollte eine gestreute (metastasierte) Tumorerkrankung entstehen ist es wiederum sehr wichtig sich an einem großen Zentrum mit Expertise der Systemtherapie und interdisziplinärer Zusammenarbeit (Tumorkonferenzen) behandeln zu lassen.
Woran kann ein Patient eine „gute“ Klinik erkennen, um dort optimale Behandlungsergebnisse zu erhalten?
Nach den oben genannten Kriterien kann ein Patient eine „gute“ Klinik auch über Berichte der publizierten Qualitätskontrolle erkennen. Qualitätssicherung ist ein gutes Zeichen, denn Daten öffentlich zu machen ist ein Maß für Qualität. Unterstützt die Klinik eine Selbsthilfegruppe zum Thema Harnblasenkarzinom, wird hier Transparenz gelebt? Wenn eine Klinik zum Thema Harnblasenkarzinom in Fachzeitschriften, Bücher und Leitlinien publiziert hat, dann unterstreicht dies die Qualität und die Kompetenz des Teams.
Weitere Informationen erhalten Sie von Ihrem Urologen, über die Aufklärungsbücher der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG; http://www.krebshilfe.de/wir-informieren/material-fuer-betroffene/blaue-ratgeber.html) und Selbsthilfegruppen (http://www.blasenkrebs-shb.de). Zudem können die Informationsdienste der Fachgesellschaft (DGU) und der Krankenkassen beraten.
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